Lösungsansätze für einen zukunftsfähigen Markt für Pflegeimmobilien
Düsseldorf, 27.05.2024. Fabio Merkens, BFW NRW-Vorsitzender des Fachausschusses Wohnen im Alter, hat gemeinsam mit Maximilian Woiczikowsky, Director Investment Management bei TSC Real Estate Germany, einer der führenden Investoren im deutschen Gesundheitsimmobilienmarkt, das Thema Senior Living in den Fokus gerückt.
In einem Artikel für das Real Estate Bulletin der KPMG haben die beiden Experten Lösungsansätze formuliert, wie „Wohnen für Senioren“ als Assetklasse der Zukunft etabliert werden kann.
Der Markt für Pflegeimmobilien führte jahrelang ein Nischendasein. Nicht zuletzt der fortschreitende demografische Wandel, die Professionalisierung im Betreibermarkt und die aufkommenden Schwierigkeiten in den Assetklassen Büro und Einzelhandel (durch die Coronapandemie befördert) ließen das Interesse an dieser breit aufgestellten Assetklasse erstarken, zu der neben der vollstationären Pflege, betreutem Wohnen und Service/Senior Living übrigens auch Ärztehäuser, Medizinische Versorgungszentren (MVZs) sowie Rehakliniken und Krankenhäuser zählen.
„Wir unterscheiden hier die vollstationäre Pflege von den ambulanten Wohnformen“, erläutert BFW NRW-Fachausschussvorsitzender Fabio Merkens. Hinter der vollstationären Pflege verbirgt sich das klassische Pflegeheim. Ein Umzug in eine entsprechende Einrichtung sei zumeist eine medizinisch-pflegerische Notwendigkeit, so Merkens. Anders als in der Vergangenheit liege die Verweildauer dort heute jedoch nur noch bei wenigen Monaten. Ein Grund dafür ist der Wunsch der Menschen, möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Dies hat dazu geführt, dass neue Wohnkonzepte entstanden und etabliert worden sind. Das selbstbestimmte Wohnen und Leben steht bei den ambulanten Versorgungsformen im Fokus. Die Senioren bleiben in ihrer alten Wohnung bzw. bewohnen eine normale Mietwohnung und können Dienstleistungen wie Mahlzeiten, Reinigungsdienst, Frisör oder einen ambulanten Pflegedienst üblicherweise bis zum Pflegegrad 3 hinzubuchen.
Coronapandemie, Energiekrise und Inflation stoppten den Hype, den der Seniorenimmobilien-Markt vor wenigen Jahren unter Investoren ausgelöst hatte. Neben dem Anstieg der Refinanzierungskosten sorgten auch einige Betreiberinsolvenzen im Pflegemarkt für eine zurückhaltende Haltung auf dem Investmentmarkt. Prozentual betrachtet war dies jedoch nicht stärker der Fall als in den etablierten Assetklassen.
„Bei einem notwendigen Investitionsvolumen bis 2040 von insgesamt ca. 367 Milliarden Euro im Bereich des Pflegeimmobilienmarktes zeigt sich, dass weiterhin Investitionen notwendig sind, die Konzepte zukunftsfähig aufgestellt und auch politische Lösungen gefunden werden müssen“, fordern Merkens und Woiczikowsky und skizzieren Lösungsansätze - um eine Diskussion anzustoßen.
Förderprogramme müssen grundsätzlich aufrechterhalten werden
Senioren dürfen auf keinen Fall die Leidtragenden der Krise sein. „Hier muss kreativ gedacht werden“, so Merkens und bringt neben den klassischen Förderungen auch Konversionen von Hotels und Büros hin zu altersgerechten Wohnformen ins Gespräch. Zusätzlich müssten bereits laufende lokal geförderte Subventionen flächendeckend ausgebaut werden. Aktuell entstünden betreute Wohneinheiten größtenteils im Hochpreissegment. So müssen auch in kleinen Städten Mieten von 20 Euro/m2 oder mehr erzielt werden. „Das schließt sozial schwächere Menschen von entsprechenden Wohnformen aus“, sorgt sich Fabio Merkens.
Die Förderung von Sozialwohnungen für ältere Menschen in Kombination mit einer Zuzahlung zu den Serviceleistungen solle deutschlandweit in Betracht gezogen werden. Betreiber werden solche Wohnungen nach Auffassung der Experten nur nutzen, sofern auch Serviceleistungen angeboten werden können, da insbesondere damit der Umsatz erwirtschaftet werde. Die Stadt Frankfurt beispielsweise zahle in diesem Segment ca. 1.300 Euro Zuschuss pro Jahr und Bewohner, was mit einem Eigenanteil von ca. 300 Euro belegt wird.
Sorgen bereite in dem Segment zudem der Fachkräftemangel, sagen Merkens und Woiczikowsky. In Deutschland verharre die Fachkraftquote bei 50 %, obwohl klar sei, dass es weiterhin nicht genügend Personal geben werde. Daran habe die Einführung des Tariftreuegesetzes nichts geändert. Hier bedürfe es neben einem angehobenen Gehalt zusätzlicher Anreize. Auch das Thema Leiharbeit gehöre auf den Prüfstand. Richtig und wichtig, um Belastungsspitzen abzufangen, brauche es Vorschriften. „Aktuell sind die Kosten für einen Betreiber in der Praxis meistens dreimal so hoch im Vergleich zu einem festangestellten Mitarbeiter“, so Woiczikowsky. Seine Frage: Wieso werden die Löhne und die Zuschläge an die Zeitarbeitsfirmen nicht gedeckelt?
Feste Quoten bei neuen städtischen Entwicklungen
Die Assetklasse der Pflegeimmobilien konkurriert mit renditestärkeren Entwicklungen wie bei Eigentumswohnungen. „Deshalb muss eine feste Quote für städtische Projekte her“, fordert Woiczikowsky und zieht Parallelen zum geförderten Wohnungsbau. So könnten Kommunen dem Projektentwickler je nach Größe des Gesamtprojekts einen Anteil von 30 % an betreuten Wohnungen inklusive Gemeinschaftsflächen im Erdgeschoss vorschlagen.
Rechtsanspruch auf eine angemessene Versorgung im Alter
Mit Blick auf den kommunal berücksichtigten Rechtsanspruch für Kinder auf einen Kindergarten- bzw. Kindertagesstättenplatz regen die Experten an, auch für Senioren einen entsprechenden Rechtsanspruch zu definieren. Diese Regelung – z. B. für jeden ab Pflegegrad 3 – würde den zukünftigen Fokus sicherstellen.
Die Nutzungsarten der stationären Pflege sowie auch insbesondere die modernen Senior-Living-Konzepte werden weiterhin stark nachgefragt - von Nutzern als auch von Investoren. Jedoch bedürfe es einiger Anpassungen in der zukunftsfähigen Planung und Entwicklung der Einrichtung, in der weiter voranschreitenden Professionalisierung der Betreiber sowie der elementaren Unterstützung der Politik.
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