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Frühjahrsgutachten: Mehr Neubauten wohl erst ab 2026


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06. Mai 2024

Düsseldorf, 06.05.2024. Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) hat mit dem Frühjahrsgutachten 2024 neue Zahlen zur Entwicklung der Wohnungswirtschaft in Deutschland herausgegeben.

Die Immobilienexperten sehen trotz geopolitischer Risiken und ökonomischer Unsicherheit gesamtwirtschaftlich einen dünnen Silberstreif am Horizont.

Mit dem Ukraine-Krieg setzte im März 2022 eine Fluchtbewegung nach Deutschland ein, die aber bereits im Spätsommer 2022 endete. Seither steigt die Zahl der ukrainischen Flüchtlinge mit im Mittel 12.500 pro Monat nur noch langsam an. Der Wohnungsmarkt absorbierte diesen Nachfrageschub schnell. Bereits gegen Ende des Winters 2022/23 hatten 55 % der aus der Ukraine Geflüchteten eine eigene Wohnung bezogen. Zwar ist im Verlauf des letzten Jahres die Zahl der Geflüchteten aus anderen Teilen der Welt angestiegen, erreicht aber nicht die Werte von 2022 oder 2015. Insgesamt wuchs die Zahl der Einwohner im Jahr 2023 um rund 300.000, was in etwa dem langfristigen Mittelwert entspricht.

Beruhigung auf der Nachfrageseite, Verschärfung auf der Angebotsseite

Die Beruhigung auf der Nachfrageseite des Wohnungsmarktes steht im deutlichen Widerspruch zur Angebotsseite. Mit dem Anstieg der Zinsen im zweiten Quartal 2022 wurden fast schlagartig alle Wohnungsbauprojekte unwirtschaftlich. Die Folge ist ein praktischer Stopp des Wohnungsbaus, dessen Dramatik sich derzeit erst ansatzweise in den amtlichen Daten zum Wohnungsbau widerspiegelt. Dass 2023 weiterhin Wohnungen fertiggestellt wurden, liegt meist daran, dass sie noch zu früheren Zinskonditionen begonnen oder beauftragt wurden.

Auch die voraussichtlich 270.000 Wohnungsbaugenehmigungen im Jahr 2023 sollten nicht beruhigen. Hier wird der lange beklagte Bearbeitungsstau in den Bauaufsichtsbehörden abgearbeitet. Entscheidend ist, wie viele neue Projekte begonnen werden. Und es sind derzeit sehr wenige, wenn überhaupt. Vor allem im Geschosswohnungsbau zeigt der Rückgang der Baugenehmigungen um gut ein Viertel gegenüber 2021 noch lange nicht den Boden an. Im Einfamilienhausbau sanken die Genehmigungen bislang um 50 % und dieser dürfte aufgrund seines konsumtiven Charakters resilienter sein als der Mietwohnungsbau. Über alle Gebäudearten hinweg ist mit einem Rückgang der Wohnungsfertigstellungen auf etwa 150.000 bis 2025 zu rechnen.

Frühestens ab dem Jahr 2026 kann es zu einem Wiederanstieg der Fertigstellungen kommen. Voraussetzungen dafür sind die avisierte degressive AfA, sinkende oder zumindest stagnierende Bauleistungspreise, Maßhalten bei baulichen und kommunalen Auflagen, sinkende Baulandpreise sowie zudem auch noch steigende Neubaumieten. Erst in der Summe kann es gelingen, die Auswirkungen der gestiegenen Zinsen auf die „Kostenmiete“ auszugleichen und
Wohnungsbauprojekte zurück in die Wirtschaftlichkeit zu führen. Hilfreich wäre zudem, wenn auch die Ansprüche der Bewohner an die Wohnungsqualität nicht immer weiter steigen würden. Trotzdem werden aber auf absehbare Zeit die hohen Fertigstellungen der letzten Jahre von um die 300.000 Wohneinheiten wohl nicht mehr erreicht werden. Die Bauwirtschaft, insbesondere wenn sie auf den Wohnungsbau spezialisiert ist, wird daher ihre Kapazitäten anpassen, die Arbeitskräfte werden woanders schnell wieder eine Arbeit finden.

Auch die Bauaufsichtsbehörden werden Auslastungsprobleme bekommen, sobald der Genehmigungsstau abgearbeitet ist. Dies könnte die Gelegenheit bieten, die Ämter zu digitalisieren und die vielen Ideen zur Planungsbeschleunigung auch organisatorisch umzusetzen. Der steile Anstieg der Wohnungsnachfrage im Jahr 2022 führte zu einem Rückgang des Wohnungsleerstandes und zu einem Anstieg der Neuvertragsmieten. Die Phase steigender Leerstände, in denen das Wohnungsangebot schneller wuchs als die Nachfrage, endete damit nach nur zwei Jahren wieder bzw. wurde zumindest zunächst unterbrochen. Auch die Neuvertragsmieten stiegen 2022 und 2023 mit je rund 5 % wieder etwas stärker an als in den Jahren zuvor.

Dieser Anstieg der Neuvertragsmieten ist überraschend moderat. Der Verbraucherpreisindex stieg 2022 um 6,9 % und 2023 um 5,9 %. Die Löhne und Gehälter stiegen um 4,1 % und 6,1 %, die verfügbaren Einkommen pro Kopf um 4,9 % und 5,5 %. Insgesamt sind damit trotz des Nachfrage- und auch des Angebotsschocks die Neuvertragsmieten real leicht gesunken und ist die Mietbelastung bei Neuanmietung einer Wohnung im bundesweiten Mittel unverändert geblieben.
In den A-Städten sind die einzelnen Entwicklungen auf der Nachfrageseite wie auf der Angebotsseite grundsätzlich vergleichbar mit der deutschen  Entwicklung insgesamt. Allerdings wachsen die A-Städte seit nunmehr rund fünf Jahren in Folge nur unterdurchschnittlich. Die Wachstumsschwäche der A-Städte schlägt sich auch in der Mietentwicklung nieder. In den meisten A-Städten stiegen die Angebotsmieten wiederum nur unterdurchschnittlich – wie in den meisten A-Städten bereits seit nunmehr fünf Jahren.

Preiskorrekturen wegen Zinsanstieg nicht überraschend

Die gestiegenen Zinsen haben auch den Kauf von Mietwohnungen unrentabel und den Kauf von selbstgenutztem Wohneigentum häufig unerschwinglich gemacht. Entsprechend sinken die Kaufpreise für Wohnungen. Seit dem oberen Wendepunkt im zweiten Quartal 2022 haben die Angebotspreise (Bestand) in den letzten sechs Quartalen bislang um 9,6 % nominal und 15,4 % real nachgegeben. Von weiteren Preisrückgängen ist auszugehen. Relevante
Unterschiede in der Preisentwicklung zwischen verschiedenen Teilmärkten, z.B. Neubau in den A-Städten, sind nicht zu erkennen. Die Preiskorrektur ist im Wesentlichen einheitlich, was angesichts des einheitlichen Zinsanstieges auch zu erwarten gewesen ist. (Quelle: ZIA-deutschland.de)

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